Vitamine - ein Zauberwort der modernen Ernährung. Hohe Erwartungen - z.B. auf Leistungssteigerung oder Heilung von vielen Krankheiten - werden oft mit diesen Substanzen verbunden. Die hier vorgestellten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, warum Vitamine für die Ernährung des Hundes entscheidend, aber dennoch keine Wundermittel sind.
Vitamine sind lebensnotwendige Nährstoffe, die der Organismus nicht selbst oder nicht in ausreichenden Mengen herstellen kann. Sie müssen deswegen in der Nahrung enthalten sein. Sind sie es nicht, kommt es zu Stoffwechselstörungen mit Mangelerscheinungen und Folgeerkrankungen. Die Vitamine gehören verschiedenen chemischen Stoffklassen an, sind also ganz unterschiedlich aufgebaut. Dennoch ist ihre Funktionsweise im Körper oft sehr ähnlich: Sie nehmen nämlich an vielen Stoffwechselprozessen als Katalysatoren teil, vermitteln also Reaktionen, ohne selbst daran beteiligt zu sein. Da Vitamine also nicht wie andere Nährstoffe "verbraucht" werden, benötigt der Hund nur relativ geringe Mengen in der täglichen Nahrung. Diese müssen aber auch in der richtigen Menge enthalten sein, die der Hund tatsächlich benötigt. Besonders gut ist dies möglich, wenn eine hochwertige Vollnahrung eingesetzt wird.
Eine wichtige Vitamineinteilung sollte jeder Hundehalter kennen: Vier der 12 für einen Hund wichtigen Vitamine lösen sich nicht in Wasser, sondern nur in Fetten und Ölen. Sie heißen deswegen fettlösliche Vitamine. Die anderen sind die wasserlöslichen Vitamine. Diese Einteilung hat für die Beurteilung des Vitamingehaltes von Nahrungsmitteln, von angeblich leistungssteigernden Vitaminzubereitungen oder für das Verständnis von Vitaminmangel- oder Überschusserkrankungen enorme Bedeutung. Jahrzehntelange wissenschaftliche Untersuchungen haben dazu geführt, dass der Vitaminbedarf von Hunden weitgehend aufgeklärt werden konnte. Dies gilt auch für einzelne Lebensphasen wie Trächtigkeit, Säugeperiode, Wachstum oder Leistung.
Bei fettlöslichen Vitaminen kommt es leicht zur Überdosierung

aus: Bubenzer, R.H.: Vitamine in der Ernährung des Deutschen Schäferhundes. SV Zeitung, Augsburg: 4/1993 |
Vitamin A
Vitamin A spielt eine bedeutende Rolle beim Wachstum von Hunden - besonders bei der Entwicklung und Reifung von Haut, Schleimhaut und Knochengewebe. Zur Deckung des Vitamin A-Bedarfes können Hunde entweder Vitamin A direkt oder die Vitaminvorstufe Beta-Karotin (aus pflanzlichen Futterquellen) aufnehmen. Letzteres wird in der Leber zu Vitamin A umgewandelt. Hunde im Haarwechsel sowie ältere Hunde benötigen etwa das Doppelte der Vitamin A-Mengen im Erhaltungsstoffwechsel. Auch trächtige und säugende Hündinnen haben, ebenso wie wachsende Hunde einen erhöhten Vitamin-A-Bedarf. Eine Unterversorgung mit Vitamin A führt zu erhöhter Infektanfälligkeit. In schweren Fällen kann es auch zu Abmagerung, Gewichtsverlust und Lungenentzündungen kommen. Bei jungen Hunden wachsen dagegen die Nervenaustrittsstellen im Schädel zu und es treten schwere Schäden am Nervensystem auf. Vitamin A steht auch im engen Zusammenhang mit Haut und Fell, ein Mangel bewirkt Hautkrankheiten und Fellverschlechterung. Eine Überversorgung mit Vitamin A führt ebenfalls zu Erkrankungen, z.B. zu Knochendeformierungen bei Welpen.
Vitamin D
Seine Funktion besteht überwiegend in der Aufrechterhaltung eines normalen Calciumgehaltes im Blut. Also dem Mineralstoff, der das wachsende Knochengerüst des Hundes mineralisiert. Trächtigkeit, Laktation und Wachstum erhöhen den Calcium- und Phosphor-Bedarf eines Hundes beträchtlich. Überversorgung mit Vitamin D geht mit Verkalkungen von Weichgeweben wie Lunge, Leber oder Niere einher. Bei wachsenden Hunden kommt es zudem zu Missbildungen von Kiefern und Zähnen. Will jemand seinen trächtigen Hündinnen etwas Gutes mit Vitaminpräparaten tun, sollte er dies unbedingt unterlassen: Zuviel Vitamin D kann zu schweren Schäden bei den ungeborenen Welpen führen.
Vitamin E
Dieses Vitamin spielt bei zellschützenden Prozessen eine Rolle. Es verhindert z.B. Schädigungen von Zellwänden durch Sauerstoffeinfluss. Der Vitamin E-Bedarf ist stark von der gleichzeitigen Zufuhr ungesättigter Fettsäuren und Selen abhängig. Dies bedeutet, dass eine artgerecht bilanzierte Vollnahrung, die diese Nährstoffe in den richtigen Mengen enthält, besonders wichtig ist. Auch für ein gut funktionierendes Abwehrsystem ist Vitamin E von großer Bedeutung. Vitamin E-Mangel ist in der Praxis selten. Dabei treten Wachstums- und Bewegungsstörungen infolge degenerativer Veränderungen der Skelett-, aber auch Herzmuskulatur auf.
Vitamin K
Dieses Vitamin spielt eine entscheidende Rolle bei der Blutgerinnung. Es ist für den raschen Verschluss von blutenden Wunden und Gefäßverletzungen mit verantwortlich. Hunde benötigen im Prinzip kein Vitamin K in der Nahrung, da ihre Darmbakterien es für sie produzieren.
Bei wasserlöslichen Vitaminen ist die Mangelversorgung häufiger

aus: Bubenzer, R.H.: Vitamine in der Ernährung des Deutschen Schäferhundes. SV Zeitung, Augsburg: 4/1993 |
Thiamin (Vitamin B1)
Thiamin hat eine überragende Bedeutung für das Nervensystem. Wichtig bei Leistungshunden: Der Vitamin B1-Bedarf wird ganz besonders durch die jeweils erbrachte körperliche Leistung beeinflusst. Ein Thiaminmangel kann auftreten, wenn Hunde einseitig mit thiaminarmen Futtermitteln ernährt werden (z.B. polierter Reis, Weißmehle, fettreiche Futtermittel, rohe Fische). Auch falsche Zubereitung (starkes Wässern oder Kochen) kann Ursache eine Thiaminverlustes sein. Typische Folgen sind * gestörtes Welpenwachstum, * Wachstumsverlangsamung, * Abmagerung und mangelnde Fresslust * Kotfressen.
Chronische Mangelsituationen werden durch Störungen des Nervensystems deutlich: Erbrechen, Krämpfe, Muskelschwäche oder auch Kreislaufstörungen. Eine akute Überdosierung von Thiamin führt zu einem raschen Abfall des Blutdrucks und durch Ausfall des Atemzentrums zum Tode.
Riboflavin (Vitamin B2)
Kaum ein Vitamin ist an so vielen verschiedenen Lebensvorgängen beteiligt wie Riboflavin. Riboflavin wirkt praktisch an allen energiegewinnenden Prozessen der Körperzellen mit. Neben zahlreichen unklaren Krankheitszeichen kommt es durch Riboflavinmangel bei wachsenden Hunden häufiger zu Hornhautschäden des Auges, Hautentzündungen und Wachstumsstörungen. Fehlbildungen bei Welpen von mangelversorgten trächtigen Hündinnen sind ebenfalls nicht selten.
Pantothensäure
Die Aufgaben dieses Vitamins ähneln denen von Riboflavin (Energiestoffwechsel). Da besonders Welpen einen enormen Energiebedarf haben, kommt es bei Pantothensäuremangel rasch zu Stoffwechselstörungen. Diese äußern sich in vielfältigen, eher uncharakteristischen Krankheitssymptomen; z.B. Appetitstörungen, Wachstumsverminderung bei Welpen, Auszehrung oder Krämpfen.
Niacin
Niacin ist an verschiedenen Stoffwechselvorgängen beteiligt - v.a. dem Aufbau von Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten. Ein Niacinmangel kann bei einseitiger Fütterung von Getreideprodukten entstehen. Diese enthalten zwar Niacin, das aber nur schlecht vom Hund aufgenommen werden kann. Der Niacin-Mangel führt zu der schwarzen Zunge, einer schweren Entzündung und Geschwürsbildung von Mund und Rachen mit blutigem Speichel. Gleichzeitig kommt es auch zu Hautentzündungen, Durchfällen und Störungen der Nervenfunktionen.
Pyridoxin (Vitamin B6)
Pyridoxin ist intensiv am Aminosäurestoffwechsel beteiligt und für die Blutbildung unverzichtbar. Typisch für einen Mangel an Pyridoxin ist deswegen eine zunehmende Blutarmut, die bei chronischem Mangel zu Herzveränderungen, Nervenschäden oder Gewichtsverlust führt. Bei Welpen fallen neben der Blutarmut Appetitlosigkeit, Wachstumsverlangsamung und Hautveränderungen auf.
Folsäure
Folsäure ist wichtig für den Kohlenhydratstoffwechsel und den Aufbau von Eiweißen. Ein Folsäuremangel kommt bei Hunden praktisch kaum vor. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass auch dieses Vitamin von den Darmbakterien zur Verfügung gestellt wird, so dass sich bei Mangel in der Nahrung keine Störungen entwickeln.
Biotin
Dasselbe gilt auch für das Vitamin Biotin. Die Aufnahme des von Darmbakterien gebildeten Biotins wird durch Verfütterung von rohem Eiklar beeinträchtigt. Folge ist ein Biotinmangel mit Hautveränderungen und Fellverlust. Die Aufgaben von Biotin liegen in der inneren Atmung der Zellen.
Cobalamin (Vitamin B12)
Auch Cobalamin steht im Mittelpunkt eines der wichtigsten energieliefernden Stoffwechselprozesse. So werden die erbguttragenden Kernsäuren unter Mitwirkung dieses Vitamins gebildet. Bei einem Mangel an Cobalamin kommt es schnell zu Blutarmut, da die Zellteilung im Knochenmark gestört ist.
Wichtige Unterschiede zwischen fett- und wasserlöslichen Vitaminen

aus: Bubenzer, R.H.: Vitamine in der Ernährung des Deutschen Schäferhundes. SV Zeitung, Augsburg: 4/1993 |
Da fettlösliche Vitamine im Organismus gespeichert werden können, bewirken sie bei Überdosierung leichter Gesundheitsstörungen, als wasserlösliche Vitamine. Diese werden schnell über die Nieren ausgeschieden. Bei fettlöslichen Vitaminen treten bei nicht bedarfsgerechter Zufuhr nicht sofort Mangelerscheinungen auf, da zuerst die gespeicherten Vitamine freigesetzt werden. Fehlen wasserlösliche Vitamine in der Nahrung, ist dies dagegen rasch - u.U. schon nach wenigen Tagen - festzustellen.
Hitze, Sauerstoff und Licht zerstören Vitamine
Vitamine sind empfindliche Stoffe, die leicht durch die Anwesenheit von Sauerstoff, Licht und Hitze zerstört werden können. Folge: Vitaminmangel beim Hund. Aus diesem Grund werden bei wissenschaftlich bilanzierten Vollnahrungen den Rohmaterialien bei der Produktion Vitamine zugesetzt. So - und nur so - kann garantiert werden, dass alle für den Hund lebensnotwendigen Vitamine auch in der Nahrung enthalten sind. Bei der Selbstzubereitung von Hundenahrung ist es dagegen nahezu unmöglich, den Vitamingehalt entsprechend der wissenschaftlichen Empfehlungen optimal zu gestalten. Übrigens: Immer wieder ist zu hören, dass künstliche Vitamine eine schlechtere Wirksamkeit hätten, als natürliche. Dies stimmt nicht, da künstliche Vitamine die gleiche chemische Struktur und Wirkung haben wie die natürlichen Vitamine.
Leistungssteigerung durch Vitamine?
Der große Erforscher des Vitamin C's (welches der Hund nicht benötigt!), der Nobelpreisträger Prof. Dr. Dr. Linus Pauling und viele seiner Schüler, waren der Ansicht, dass enorme Mengen Vitamin C die Abwehrkraft des Körpers und die Lebenserwartung des Menschen verlängern. Auch jahrzehntelange Forschungen anderer Wissenschaftler konnten dies nicht bestätigen. Eine Leistungssteigerung irgendwelcher Organfunktionen (z.B. der Muskeln) durch gesteigerte Vitamingabe findet weder beim Menschen noch beim Hund statt.
Konsequenzen für die Fütterungspraxis sind offensichtlich
Bei Verwendung einer artgerecht bilanzierten und auf die jeweiligen Lebensphasen des Hundes angepassten Vollnahrung ist eine Ergänzung der Nahrung durch Vitaminpräparate völlig überflüssig. Wie oben dargestellt, ist sie aber (leider) nicht wirkungslos: Die durch Vitaminergänzung leicht mögliche Überdosierung führt oft zu Krankheitserscheinungen. Deswegen gib es nur zwei Anwendungsgebiete von Vitamin-Ergänzungspräparaten:
* Bei Verwendung selbst zubereiteter Nahrung, bei der durch Kochen viele Vitamine zerstört werden. Allerdings ist die notwendige genaue Dosierung der Vitamine nicht möglich.
* Bei Vitaminmangel-Erkrankungen, die entweder durch Fehlernährung hervorgerufen wurden oder durch eine andere Erkrankung z.B. des Darmes bedingt sind. Hierbei werden Vitamine wie Medikamente nach ärztlicher Verordnung eingesetzt, bis die Erkrankung geheilt ist.
Grundsätzlich gilt deswegen für die Ernährung eines Hundes: Die Verwendung einer hochwertigen Vollnahrung bietet keinen Raum für eine zusätzliche Vitaminergänzung, da diese einfach überflüssig ist und Schäden hervorrufen kann.